Die jährlichen Funkausstellungen in Berlin zwischen 1933 und 1939 dokumentieren eine bemerkenswerte Phase technischer Innovation im deutschen Rundfunkgerätebau. Diese Periode war geprägt von kontinuierlicher Weiterentwicklung der Empfängertechnik, zunehmender Erschwinglichkeit und dem Bestreben, Rundfunk für breite Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen.
Die Funkausstellung 1933: Der Volksempfänger
Die 10. Funk-Ausstellung vom 18. bis 27. August 1933 markierte einen Wendepunkt: Auf allen Ständen war der neu eingeführte Volksempfänger VE 301 zu sehen. Dieser von Otto Griessing konstruierte Einkreis-Zweiröhrenempfänger mit eingebautem Freischwinger-Lautsprecher musste von allen 28 Firmen der Funkindustrie zu einem Festpreis gefertigt werden. Die erste Auflage von 100.000 Geräten (75.000 Wechselstrom-, 10.000 Gleichstrom- und 15.000 Batteriegeräte) war innerhalb weniger Tage verkauft.
Die Ausstellung zeigte insgesamt 100 verschiedene Modelle. Die technische Entwicklung zielte auf Geräte mit weniger Röhren bei höchster Leistung. Die Röhrenindustrie präsentierte zehn neue Röhrentypen, darunter die Audionröhre REN 914 mit 40-facher Verstärkung und die neue Hexode für Mischstufen.
1934: Der Aufstieg des Superhets
Auf der 11. Großen Deutschen Funk-Ausstellung (17.-24. August 1934) hatte der Volksempfänger bereits eine Million verkaufte Exemplare erreicht. Von den in der Saison 1934/35 gebauten Empfängern waren 735.000 Geradeausempfänger und rund 310.000 Superhets.
Eine bemerkenswerte Neuerung war der Zweiröhren-Reflexempfänger, der trotz des niedrigen Preises von 165 bis 210 Reichsmark ein ausgezeichneter Fernempfänger war. Einige Firmen wie Siemens produzierten nur noch Superhets. Der Vierröhren-Super entwickelte sich zum volkstümlichen Spitzengerät des Jahres.
Die Firma Loewe stellte neue Allstromröhren vor, die absolut brummfrei bei Wechsel- und Gleichstrom arbeiteten. Allerdings blieb der Batterieempfänger ein Stiefkind, obwohl 42% aller deutschen Haushalte keinen Stromanschluss hatten.
1935: Besserer Klang und mehr Komfort
Die 12. Große Deutsche Rundfunkausstellung (16.-25. August 1935) präsentierte 144 neue Empfänger, davon 98 für Wechselstrom, drei für Gleichstrom und 44 für Allstrom. Zwei neue Gemeinschaftsgeräte wurden vorgestellt: ein Allstrom-Volksempfänger und der Arbeitsfront-Empfänger DAF 1011 für Gemeinschaftsempfang in Betrieben.
Beim Einkreiser zeigten sich weitere Verbesserungen: eingebauter Sperrkreis, dynamischer Lautsprecher, Klangfarbenregler und neue Eisenkernspulen. Der Vierröhren-Super hatte sich zum Standard-Hochleistungsempfänger entwickelt.
Eine bedeutende Neuheit war das Magnetophon von Telefunken – ein neuartiges Tonaufzeichnungsverfahren mit Magnetband statt Stahldraht, das eine Aufnahmedauer von 25 Minuten pro Spule ermöglichte.
1936: Das Jahr des besseren Klangs
Die 13. Große Deutsche Rundfunkausstellung (28. August – 6. September 1936) stand im Zeichen des besseren Klangs. Zwei Faktoren waren dafür verantwortlich: die neuen Lautsprecherröhren AL 4 / CL 4 und AD 1 sowie eine Verdoppelung des Lautsprecherwirkungsgrades. Der Bandbreitenregler, bei vielen Geräten eingebaut, ermöglichte optimale Klangwiedergabe bei starken Sendern.
Die flache Gehäuseform setzte sich durch. Es gab 33 Wechselstrom- und 19 Allstromgeräte in der Einkreiser-Klasse. Die Radio-Union, ein Zusammenschluss kleinerer Firmen, produzierte den Gemeinschaftsempfänger RU 1.
Bei den Spitzengeräten um 500 Reichsmark mit fünf bis neun Röhren wurden durch Gegentakt-Endstufen und gute Lautsprecher höchste Klangansprüche erfüllt.
1937: Preissenkungen und der Marksteinsuper
Die 14. Große Deutsche Rundfunkausstellung (30. Juli – 8. August 1937) stand im Zeichen spürbarer Preissenkungen durch Röhrenpreissenkungen ab 15. Juli 1937. Das Motto lautete: “Außen alt – innen neu!”
Der neue “Marksteinsuper”, ein Fünf- oder Sechskreis-Vierröhrensuper unter 250 Reichsmark, bildete die größte Gruppe und war der Verkaufsschlager. Er bot die gleichen Empfangsleistungen wie der Vorjahressuper, war aber klanglich überlegen und 15% billiger.
Eine wichtige Neuerung war das magische Auge zur optischen Abstimmanzeige. Die Spitzengeräte verfügten über Motorabstimmung und Gegentakt-Endstufen für Raumklang. Der Preis des Volksempfängers wurde auf 65 Reichsmark gesenkt.
1938: Der Deutsche Kleinempfänger
Die 15. Große Deutsche Rundfunkausstellung (5.-21. August 1938) zeigte über 210 neue Rundfunkempfänger, erstmals auch von fünf österreichischen Firmen nach dem “Anschluss”.
Das neueste politische Gemeinschaftsprodukt war der Deutsche Kleinempfänger DKE 1938 für nur 35 Reichsmark. Der neue Volksempfänger VE 301 dyn hatte jetzt einen elektrodynamischen Lautsprecher und eine Leuchtskala mit dem Hakenkreuz-Symbol.
Die Mittelsuper (250-300 Reichsmark) boten reichhaltige Ausstattung: magisches Auge, Schwundausgleich, große übersichtliche Skalen mit über 100 Sendernamen. Bei Spitzengeräten über 400 Reichsmark gab es erstmals Drucktastenleisten für sechs bis acht frei wählbare Sender.
Das Fernsehen wurde erstmals gleichberechtigt neben dem Hör-Rundfunk präsentiert. Mehrere Firmen zeigten neue Fernsehempfänger nach der 441-Zeilen-Norm mit Preisen um 800 Reichsmark.
1939: Drucktasten und Kurzwellenempfang
Die 16. Große Deutsche Rundfunk- und Fernseh-Ausstellung (28. Juli – 6. August 1939) hinterließ drei technische Eindrücke: hochwertige musikalische Wiedergabe, leistungsfähiger Kurzwellenempfang und Drucktasten.
Von 34 Fabriken wurden 242 neue Typen vorgestellt. Die Drucktastenabstimmung, vorher nur bei teuersten Geräten, gab es jetzt in allen Preisklassen – insgesamt 43 Typen mit mechanischem oder elektrischem Drucktastenverfahren. Das billigste Gerät, der Olympia 405 W für 173 Reichsmark, war ein reiner Drucktastenempfänger.
Die Preise waren erneut gesunken: Ein Vierröhren-Standardsuper kostete nur noch 186 Reichsmark statt 275 Reichsmark im Jahr 1935.
Im Mittelpunkt des Fernsehens stand der Einheits-Fernsehempfänger E 1, entwickelt von fünf Firmen in Gemeinschaftsarbeit. Dieser Tischfernseher mit Rechteckbildröhre und 23 x 20 cm Bildgröße sollte ab Dezember 1939 für 650 Reichsmark lieferbar sein.
Kriegszeit 1940-1945
Wenige Wochen nach der Funkausstellung 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Die Inlandsproduktion wurde eingestellt, das Abhören ausländischer Sender bei Todesstrafe verboten. Ab Juni 1940 strahlten alle deutschen Sender ein Einheitsprogramm aus.
Die Funkindustrie war vorwiegend mit Rüstungsaufträgen ausgelastet. Rundfunkgeräte wurden hauptsächlich für den Export gefertigt. 1940-1941 wurden noch etwa je eine Million Geräte abgesetzt, 1942 nur noch 300.000. Ab 1943 ging die Zahl der Rundfunkteilnehmer absolut zurück, vor allem durch die Bombardierung von Wohnvierteln.
Fazit
Die Funkausstellungen 1933-1939 dokumentieren eine Phase rasanter technischer Entwicklung: von einfachen Geradeausempfängern zum Superhet, von wenigen Röhren zu hochkomplexen Schaltungen, von der Gemeinschaftsproduktion zur Vielfalt der Modelle. Gleichzeitig wurde Rundfunktechnik durch kontinuierliche Preissenkungen für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich. Diese Entwicklung endete abrupt mit Kriegsbeginn 1939.

