Radios im Zweiten Weltkrieg trugen in Deutschland spezifische Bezeichnungen, die eng mit der politischen und technischen Entwicklung der Zeit verknüpft waren. Die bekanntesten Namen waren Volksempfänger, Gemeinschaftsempfänger und Deutscher Kleinempfänger – Begriffe, die heute historisch aufgeladen sind und weit mehr bedeuten als nur technische Produktbezeichnungen. Diese Geräte waren nicht einfach Haushaltselektronik, sondern gezielt konzipierte Instrumente zur Massenkommunikation in einer Zeit staatlicher Informationskontrolle.
Die Namensgebung dieser Radios spiegelt ihre Funktion wider: Sie sollten einer breiten Bevölkerung zugänglich sein und gleichzeitig die mediale Kontrolle des Regimes sicherstellen. Während der Volksempfänger bereits in den 1930er Jahren zum Symbol für erschwingliche Rundfunktechnik wurde, kamen Weiterentwicklungen wie der Gemeinschaftsempfänger und der Deutscher Kleinempfänger in den Kriegsjahren hinzu. Die Namen dieser Geräte sind bis heute untrennbar mit der Geschichte des deutschen Rundfunks und der Rolle des Radios als politisches Medium verbunden.
Der Volksempfänger – Das bekannteste Radio der NS-Zeit
Der Volksempfänger VE 301 gilt als das ikonischste Radiogerät der nationalsozialistischen Ära. Eingeführt 1933, sollte er durch Massenproduktion und einen subventionierten Preis von 76 Reichsmark möglichst vielen deutschen Haushalten den Zugang zum Rundfunk ermöglichen. Das Ziel war klar: eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit staatlich kontrollierten Sendungen. Das schlichte, kastenförmige Design und die technische Beschränkung auf wenige Frequenzbereiche machten den Volksempfänger zum Standardgerät der Zeit und zum Werkzeug gezielter Informationssteuerung.
Im Volksmund erhielt das Gerät bald den Spitznamen “Goebbels-Schnauze” – eine Anspielung auf Propagandaminister Joseph Goebbels, der das Radio als zentrales Instrument zur ideologischen Beeinflussung nutzte. Der Volksempfänger symbolisiert damit nicht nur technischen Fortschritt, sondern auch die Instrumentalisierung von Medientechnologie für politische Zwecke. Seine weite Verbreitung und kulturelle Bedeutung machen ihn bis heute zum bekanntesten Radio des Zweiten Weltkriegs in Deutschland.
Gemeinschaftsempfänger und Deutscher Kleinempfänger (DKE 38)
Der Gemeinschaftsempfänger wurde ab 1938 als Nachfolgemodell des Volksempfängers eingeführt und bot gegenüber dem VE 301 erweiterte Empfangsmöglichkeiten. Mit zusätzlichen Frequenzbereichen ermöglichte er den Empfang weiterer Sender, blieb jedoch weiterhin erschwinglich und in seiner Funktionalität kontrolliert. Parallel dazu erschien der Deutscher Kleinempfänger (DKE 38), der speziell für die Bedürfnisse der Kriegsjahre konzipiert wurde: kostengünstige Produktion, Materialeinsparung und eine noch stärkere Fokussierung auf inländische Sender.
Diese Modelle entstanden als Reaktion auf veränderte politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen während des Krieges. Während der Gemeinschaftsempfänger noch eine leichte technische Verbesserung darstellte, war der DKE 38 ein Kompromiss zwischen Verfügbarkeit und ideologischer Kontrolle. Beide Geräte ergänzten das Angebot des Volksempfängers und trugen dazu bei, dass auch in Kriegszeiten eine breite Rundfunkversorgung aufrechterhalten werden konnte – unter streng geregelten Bedingungen und mit eingeschränktem Zugang zu ausländischen Informationsquellen.
Technische Merkmale der Kriegsradios
Die Radios des Zweiten Weltkriegs teilten charakteristische technische Merkmale, die sowohl von produktionstechnischen Zwängen als auch von ideologischen Absichten geprägt waren. Diese Gestaltungselemente waren keine zufälligen Einschränkungen, sondern bewusst gewählte Konstruktionsprinzipien, die Massenproduktion ermöglichten und gleichzeitig den Informationszugang kontrollierten.
- Röhrentechnologie (Röhrenradio): Alle Kriegsradios basierten auf Elektronenröhren als Verstärkerelemente, die damals den technischen Standard darstellten und eine kompakte, serienfertige Bauweise ermöglichten.
- Bakelit-Gehäuse: Das hitzebeständige Kunstharz Bakelit wurde als Gehäusematerial bevorzugt, da es kostengünstig, formbar und in großen Mengen verfügbar war – ideal für die Massenproduktion unter Kriegsbedingungen.
- Eingeschränkter Frequenzbereich: Die Geräte waren technisch so konstruiert, dass sie vorrangig inländische Mittelwellensender empfingen, während der Zugang zu ausländischen Kurzwellensendern erschwert oder unmöglich gemacht wurde.
- Standardisierte Bauweise: Vereinheitlichte Komponenten und normierte Konstruktionspläne reduzierten Herstellungskosten und vereinfachten Reparaturen, sicherten aber auch die Kontrolle über technische Spezifikationen.
- Materialeinsparung: Besonders ab Ende der 1930er Jahre wurden Designs zunehmend vereinfacht, um kriegswichtige Rohstoffe wie Metalle zu schonen und die Produktion aufrechtzuerhalten.
Die Rolle des Radios in der Kriegspropaganda
Das Radio entwickelte sich während des Zweiten Weltkriegs zum wichtigsten Propagandainstrument des nationalsozialistischen Regimes. Es diente einer Doppelfunktion: Einerseits bot es Unterhaltung und Information, andererseits war es Kanal für ideologische Indoktrination und staatliche Lenkung der öffentlichen Meinung. Über obligatorische Übertragungen von Reden führender Parteifunktionäre und sorgfältig kuratierte Nachrichtensendungen wurde die Bevölkerung gezielt beeinflusst. Das Medium erreichte nahezu jeden Haushalt und schuf damit eine beispiellose Reichweite für politische Botschaften.
Parallel zur Verbreitung erwünschter Inhalte wurde der Zugang zu unabhängigen Informationsquellen strafrechtlich sanktioniert. Das Abhören sogenannter Feindsender – ausländischer Rundfunkstationen wie BBC oder Radio Moskau – galt als schweres Vergehen und wurde mit drastischen Strafen bis hin zur Todesstrafe geahndet. Diese gesetzlichen Maßnahmen sollten die Informationshoheit des Regimes sichern und verhindern, dass alternative Perspektiven die offizielle Darstellung des Kriegsgeschehens in Frage stellten. Das Radio war somit nicht nur Kommunikationsmittel, sondern Instrument sozialer Kontrolle mit weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen.
Was bleibt vom Radio der Kriegszeit?
Die Radios des Zweiten Weltkriegs sind heute weit mehr als historische Artefakte – sie sind Zeugnisse einer Epoche, in der Technologie und Politik untrennbar miteinander verwoben waren. Für Sammler, Historiker und Kulturinteressierte bieten diese Geräte Einblicke in die materiellen und ideologischen Dimensionen der NS-Zeit. Museen und Archive bewahren diese Objekte als Teil des kulturellen Gedächtnisses und ermöglichen es nachfolgenden Generationen, die Mechanismen medialer Machtausübung nachzuvollziehen. Die Auseinandersetzung mit diesen Rundfunkgeräten fördert ein tieferes Verständnis dafür, wie technische Infrastruktur zur Steuerung von Gesellschaften eingesetzt werden kann.
Die Beschäftigung mit der Geschichte des deutschen Rundfunks erinnert daran, dass Medientechnologie niemals neutral ist. Die bewusste Gestaltung von Zugang, Reichweite und Inhalten prägt öffentliche Diskurse und beeinflusst kollektive Wahrnehmungen. Indem diese Geschichte bewahrt, erforscht und vermittelt wird, trägt sie zur Medienkompetenz und zum kritischen Bewusstsein bei. Die Radios der Kriegszeit bleiben dadurch relevante Studienobjekte – nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch als Lehrstücke über die Verantwortung, die mit der Kontrolle über Kommunikationsmittel einhergeht.

